Ich mache heute mal Urlaub vom Außen.
Meine Reise geht nach innen.
Mein Vehikel ist mein Atem.
Jeder Atemzug bringt mich weiter weg von Lärm, von der Geschäftigkeit und vom Tun.
Ich atme ein…und Gedanken zischen an mir vorbei.
Ich atme aus…und Gefühle huschen durch mich durch.
Ich sitze – still…und bewege mich stetig.
Immer tiefer geht die Reise.
Ich bin stumm und lausche in die Stille hinein.
Es ist ruhig. Nichts regt sich. Fast bewegungslos. Starr.
Es wird kalt. Ich beginne zu frieren und zu zittern.
Angst taucht auf. Ein kalter Schauer läuft mir über den Nacken.
Mein Atem stockt. Mein Herz pocht.
Ich atme ein und weiß, dass ich einatme.
Ich atme aus und weiß, dass ich ausatme.
Meinem pochenden Herzen schenke ich ein Lächeln.
Es beruhigt sich.
Ich suche die Angst, doch sie scheint sich zurückgezogen zu haben.
Ich gehe weiter – in mich – und leere meinen Geist.
Mein Innen wird größer und größer.
Es fühlt sich an, wie ein riesiger Palast.
Es ist, als ob sich eine Vielzahl an Gängen und Räumen auftut.
Manche vertraut und bekannt,
andere fremd, exotisch, wie aus einem anderen Land.
Neugierig und fasziniert erkunde ich zaghaft einen neuen Raum.
Er hat keinen Namen.
Der Geruch darin ist erfrischend und mit nichts vergleichbar, das ich kenne.
Die Farbe seiner Wände habe ich noch nie gesehen.
Ich bewege mich durch den Raum,
jeder Atemzug bringt mich tiefer in diese unbekannte Welt.
Wie ein kleines, neugieriges Kind wandle ich weiter,
Atemzug für Atemzug,
und erforsche fasziniert das Terrain.
Mein Palast ist durchdrungen von einer ehrfurchterregenden, tiefen Stille.
Je weiter ich mich nach innen bewege, umso lieblicher, umso wohlklingender
wird diese Stille.
Wie eine heilige Symphonie erfüllt sie den Raum.
Nun öffnen sich die Mauern meines Palastes nach außen.
Die Räume bilden weite Terrassen
und mein innerer Raum dehnt sich zu einem riesigen, bunten Garten aus.
Ich atme ein…und rieche Gras.
Ich atme aus…und höre den Wind in den Blättern der Bäume rascheln.
Ich atme ein…und durchstreife Urwälder und Wüsten in mir.
Ich atme aus…und wate durch Bäche und Flüsse…
bis ich am Meer ankomme.
Die Wellen sind hier imposant hoch,
die wilde, tosende Kraft des Wassers flößt mir Respekt ein.
Mit einem tiefen Atemzug wandle ich die Küste entlang und
suche nach einem Platz, der etwas ruhiger ist.
Hier lasse ich mich im weichen Sand nieder
Und beobachte die Wellen,
die nun sanfter kommen und gehen.
Schaumkronen bilden sich
Und lösen sich wieder auf.
Beim Rückzug des Wassers bilden sich kleine Bläschen im Sand,
die übermütig vor sich hinblubbern,
bevor sie mit der nächsten Welle wieder vom Ozean verschluckt werden.
Ich atme ein…
und das warme Nass züngelt nach meinen Zehen…
Ich atme aus…
und ein kühler, leichter Wind streichelt meine nassen Füße.
So bleibe ich eine ganze Weile hier sitzen.
Mit dem Meer einatmend.
Mit dem Meer ausatmend.
Irgendwann wird alles ganz still.
Meer, Sand, Küsten, Urwälder, Wüsten, Gärten, Gras, Wind und Paläste verschwinden.
Nur mehr eine kleine Schale mit ein paar Tropfen
Einer kostbaren Essenz bleibt übrig.
Ich atme ein. Ich atme aus.
Ich atme tief ein. Ich atme tief aus.
Jetzt bin ich einfach nur da.
Nichts zu sagen.
Nichts zu tun.
Nichts zu denken.
Nichts zu fühlen.
Nur da sein.
Eine ganze Weile. Bin ich nur.
Der Moment dehnt sich aus und wird zu einer Ewigkeit, zur Un-Endlichkeit.
Der Ton der Klangschale holt mich zurück.
Er verkündet mir, dass für heute mein Urlaub vom Außen zu Ende geht.
Diese Reise war heute besonders.
Nicht immer ist das so.
Manchmal kann ich es kaum erwarten,
wieder zurück – ins Außen – zu kommen.
Manchmal ist das Erfahrene nicht so erfüllend.
Manchmal ist das Gelände unwirtlich.
Manchmal ist es langweilig.
Manchmal habe ich wenig Geduld und Ausdauer.
Aber so ist das nun mal mit Reisen.